Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass man
Vegelangelo und
Max Pett (meine persönlichen Favoriten hier in München) kulinarisch noch toppen kann. Aber es ist passiert. Ich bin überwältigt. Meine Sinne berauscht. Ich bin glücklich.
Doch von Anfang an.
Ende letzten Jahres habe ich bei einem bekannten Rabatt-Anbieter einen Gutschein für ein vier-Gänge-Menü für zwei Personen im
vegetaria gekauft. Vergangenen Sonntag machten wir uns endlich auf den Weg gen Süden. Knapp 30 Minuten von München (ca. zehn Minuten hinter Starnberg) weist ein kleines Schild auf das versteckte
Gut Kerschlach. Hier grasen idyllisch Kühe und Pferde und Kaninchen auf dem Hof, der Verkehrslärm scheint meilenweit entfernt. Und hier versteckt sich seit drei Jahren auch das kleine vegetarische Restaurant "
vegetaria" von Oliver und Nina Beisert.
Eigentlich müsste sich das vegetaria gar nicht verstecken, denn das, was einem dort auf dem Teller geboten wird, ist Sterne-Niveau in meinen Augen.
Das Menü für unseren Gutschein ist vom Team des vegetaria festgelegt und klingt - bis auf die Vorspeise mit der Herausforderung in Form eines Roquefort-Dressings - verlockend. Mein Freund wählt dazu die Saftbegleitung mit Säften der Bio-Kelterei Perger, ich zwei Gläser Weißwein für Vorspeise und Hauptgericht. Vorweg erhalten wir einen Aperitif mit Prosecco und (natürlich) selbstgemachten Rhabarber-, bzw. Ananas-Sorbet. Ich war nie Fan von Rhabarber, aber dieses prickelnde, süßliche und nur ganz leicht säuerliche Sorbet ist ein Traum.
Und dann geht es los. Der Gruß aus der Küche - eine kleine, weiße Espressotasse auf einem schwarzen Unterteller birgt eine grüne, asiatische Suppe mit Banane, Chili und Soyasauce. Süßlich durch die Banane, scharf durch das Chili und salzig durch die Soyasauce. Mein Freund und ich sind nicht ganz einer Meinung - für mich ist der Bananengeschmack sehr dominant (wahrscheinlich, weil ich keine mag) und er schmeckte sehr stark die Soyasoße heraus. Dennoch ist es eine kleine Geschmacksexplosion im Mund und ein gelungener Auftakt für das Menü in meinen Augen.
Der eigentliche erste Gang hatte uns vorher etwas Bedenken gemacht: In Akazienhonig karamellisierter Radicchio mit Roquefort-Dressing und gerösteten Pinienkernen. Grund unserer Bedenken: Das Roquefort-Dressing, denn Blauschimmelkäse schmeckt uns beiden eigentlich überhaupt nicht. Aber die herzliche Bedienung ermutigt uns - alles was hier gekocht wird, würde schmecken. Okay, wir geben dem Roquefort eine Chance. Und tatsächlich - ohne Begleitung würde ich das Dressing nicht essen, aber es ergänzt den süßlich-karamellisierten Radicchio durch seine markant-bittere Note.
Als dritter Gang erreicht uns nach einer kurzen Pause ein Kunstwerk mit dem klangvollen Namen: "Grüner und weißer Spargel mit Trüffeldressing an Tobinambur-Mousse serviert mit gebratenen Risotto-Quadraten". Es wird sogleich fachmännisch und fast liebevoll vom Koch Oliver Beisert selbst erklärt. Das Besondere an diesem Gang: die Risottowürfel sind noch warm, während der knackige Spargel sowie die leichte Mousse kalt sind - beim ersten Bissen noch gewöhnungsbedürftig, aber bereits beim dritten Bissen ein aufregender Genuss.
Als kleine Erfrischung zwischendurch serviert uns die sympathische Bedienung mein persönliches Highlight: Basilikum-Zitronen-Sorbet. Das tiefgrüne Sorbet duftet extrem nach Basilikum, geschmacklich dominiert aber die Zitrone - himmlisch!
Dann folgt der Hauptgang: Gratin vom grünen Spargel, geschichtet mit ofengerösteten Strauchtomaten und Kartoffelscheiben unter eine Haube von Semmelbröseln mit frischem Thymian an Senf-Sahne Sauce. Das Gratin ist kunstvoll angerichtet, denn ein Teller ist für Oliver Beisert, Koch und Besitzer des vegetaria, ein Bild. Das wird hier einmal mehr deutlich. Zum Geschmack des Gratins fehlen mir die Worte. Wer es wissen möchte, sollte sich auf den Weg ins vegetaria machen - aber schnell, denn leider müssen die beiden Besitzer am 31. Juli* 2012 ihre Türen schließen. Eine Nachricht, die etwas auf den Magen schlägt, aber uns nach einem kurzem Moment des Schocks umso mehr genießen lässt.
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Nina & Oliver Beisert, Quelle: vegetaria |
Oliver Beisert lebt selbst seit einigen Jahren als Vegetarier - eine Selbstverständlichkeit für ihn, um kreative, genussvolle vegetarische Gerichte zu kreieren. Inspiration findet er in Kochbüchern. Nach den bisherigen Gängen ist bereits deutlich: Er versteht das kulinarische Wechselspiel zwischen süß und sauer, scharf und salzig, warm und kalt. Und auch die SZ krönte Beiserts Gerichte zu "optisch wie geschmacklich unvergesslichen Wunderwerke(n)" - zu Recht.
Seine Frau und er legen zudem großen Wert auf beste saisonale und regionale Zutaten mit biologischer und demeter-Qualität. Mikrowelle, Tiefkühlprodukte und Geschmacksverstärker sind ein Tabu in ihrer Küche. Und, wie der Name bereits vermuten lässt - hier kommen ausschließlich vegetarische (und vegane) Gerichte auf den Tisch.
Nach einem weiteren Überraschungsgang (fruchtig-frisches Ananassorbet) folgt der krönende Abschluss des Menüs: Eine Reise von heiß bis kalt - hausgemachtes, warmes Rhabarber-Krustentörtchen mit glasierten Pekannüssen und Ingwer-Streuseln führt über Ingwer-Rhabarbersirup und frischer Sahne zum Rhabarbersorbet. Ganz ehrlich, ich wusste nicht, was ich zuerst genießen möchte. Der Rhabarber im Törtchen süßlich-säuerlich, eine dezente Ingwernote in den Streuseln und das Sorbet lobte ich ja bereits beim Aperitif. Was für ein Abschluss.
Gerahmt wird diese kulinarische Vollendung übrigens von einem stilvollen, klaren Ambiente. In einigen Kritiken über das vegetaria las ich, dass es den Besuchern zu kühl ist. Genau das war nicht mein Eindruck - das Interieur ist klar strukturiert und "clean", aber nicht steril, sondern modern-puristisch eingerichtet. So wird das Auge auf die Teller gelenkt und nicht ab-gelenkt. Der elegant eingerichtete Raum erhält durch die rubinrote Tapette und die verteilten Dekoelemente wie Orchideen, Blumen und Kerzen etwas Wärme. Der Blick durch die Fenster erinnert an ein Natur-Gemälde. Ein großes, rechteckiges Fenster
in der anderen Richtung gewährt Einblick in die Küche. Dass der Spaß und die Leidenschaft in der Küche nicht zu kurz kommt, das verrät die silbern-glänzende Diskokugel über dem Herd.
Vielleicht ist es doch gut, dass das vegetaria (noch) versteckt ist und als Geheimtipp gilt - ich hoffe sehr, dass Nina und Oliver Beisert eine schöne Location in München finden, in der sie auch tatsächlich langfristig bleiben können. Uns als Stammkunden haben sie auf jeden Fall schon gewonnen. Und bevor das vegetaria am 31.7. im Gut Kerschlach seine Türen schließt, werden wir garantiert noch einmal dort vorbei schauen.
* Wer mehr darüber erfahren möchte, warum das vegetaria am 31.7.2012 schließt, kann das in der
SZ nachlesen.